das Gießkannenprinzip: Profile einfach mal schicken?

Kennen Sie schon das Gießkannenprinzip? Noch nicht? Dann plauder’ ich mal aus dem Nähkästchen…

Ich bereite gerade für den Geschäftsbereich der Zielakquise die Strukturen vor, indem ich selbst die Aufgabe meiner zukünftigen Mitarbeiterin übernehme und das Profil eines guten Kandidaten bei möglichen neuen Kunden anbiete. Es ist der umgekehrte Weg, den ich bisher im Rahmen meiner Selbständigkeit als Personalberater genommen habe, aber ganz unbekannt ist er mir nicht: Wenn bei einem Ingenieurdienstleister ein Mitarbeiter aus dem Projekt freikommt, wird das oft auch so gemacht – sofern man dafür die Freigabe vom Vorgesetzten bekommt. Es wird dann jedem, der nicht schnell genug ablehnt, ein Mitarbeiterprofil geschickt. Oft, ohne genau zu wissen, welche Aufgabe es überhaupt gibt- und ob es überhaupt eine Aufgabe gibt.

das Gießkannenprinzip

das Gießkannenprinzip

Ich selbst nutze in meinem Unternehmen erst einmal verschiedene Quellen, um mögliche Kunden zu identifizieren, die auch konkreten Bedarf haben – zumindest in der Außendarstellung. Wie es denn so oft ist, kommt man aber nicht bis zu den Entscheidern, sondern nur bis in die Telefonzentrale. Und dann ist es mir heute mehrfach passiert, dass man zwar nicht genau wusste, ob die Stelle noch frei ist, oder ob man mit Dienstleistern zusammenarbeitet, aber trotzdem gesagt hat: “Schicken Sie das Profil doch einfach mal rein.” Meine Antwort: “Nein, nicht mit uns!”

Viele Dienstleister machen das dann sicherlich auch, habe ich früher auch gemacht. Ich nenne es immer “das Gießkannenprinzip”. Einfach breit ausbringen, irgendwas wird dann schon aufgehen. Aber wird das dem Kandidaten gerecht?

Der Wert der Kandidaten

Ich bin mir sicher, dass meine Mail erst einmal als Spam in einer ganzen Liste von anderem Spam betrachtet wird, wenn ich Angebote einfach an irgendwelche Telefonzentralen schicke. Wozu sollte ich mir also die Arbeit machen? Außerdem wird es dem Kandidaten nicht gerecht. Meine Verantwortung ist, geprüfte Kandidaten an Kunden weiterzugeben. Umgekehrt möchte ich auch geprüfte Kunden an meine Kandidaten vermitteln. Dazu gehört, sich mit dem Unternehmen auseinanderzusetzen, die Stelle zu prüfen und mit den Verantwortlichen zu sprechen.

In der Vergangenheit war es ein hohes Gut, eine gute Beziehung zum Kunden zu haben. Das kann ich heute für mich auch noch unterschreiben. Heutzutage ist es aus meiner Sicht aber mindestens ebenso wichtig, eine gute Beziehung zum Kandidaten zu haben. Es wird immer schwieriger, Kandidaten für sich selbst oder für einen Kunden zu begeistern. Sie dann wie ein Massenprodukt anzupreisen ist aus meiner Sicht der falsche Weg. Die eigene Glaubwürdigkeit geht dabei verloren. In der Analogie funktioniert das Gießkannenprinzip ja auch mit Unkrautvernichtern…

neue Vorgehensweisen erforderlich

Wenn ich eine mögliche Stelle bei einem Kunden gefunden habe und sie grundsätzlich erst einmal zu meinem Kandidaten passen könnte, reden wir darüber. Ich möchte ausschließen, die Stelle vielleicht nicht aufgrund der Entfernung passt, oder mit dem Kunden bereits früher schon Erfahrungen gemacht wurden. Im schlimmsten Fall (für mich) liegt die Bewerbung selbst schon vor. Natürlich begebe ich mich in eine schwächere Position, wenn ich den Bewerbern von Anfang an klar sage, um welches Unternehmen es sich handelt. Sich selbst zu bewerben ist dabei eine Möglichkeit. Auf der anderen Seite kann ich so Vertrauen aufbauen. Erst, wenn ich grünes Licht bekomme, schicke ich das anonymisierte Profil zum Kunden. Der Vorteil für den Kunden ist, dass er den Bewerber auch wirklich bekommen kann, wenn er will, und sich nicht umsonst mit einem Profil auseinandersetzt. Dem Kandidaten stehe ich während des Bewerbungsprozesses beim Kunden zur Seite und begleite die Gespräche und die Verhandlungen. Oftmals kenne ich auch schon Mitarbeiter des Unternehmens und kann über die vorherrschende Kultur berichten. Aus meiner Sicht auch ein Mehrwert für den Kandidaten.

Kommunikation auf Augenhöhe

Schadet es denn, ein Profil nicht zu versenden? Aus meiner Sicht nicht! Klar, man könnte sagen, dann mache ich bei diesem Kunden keinen Auftrag. Wenn das Profil aber bei den Entscheidern nicht einmal wahrgenommen wird, mache ich den auch nicht.

Ich kann verstehen, dass sich Unternehmen gegen penetrante Vertriebler abschotten, die nur zu oft mit Angeboten um sich werfen, hinter denen kein konkreter oder aktueller Kandidat mehr steht. Oft werden “Placebo-Angebote” versendet, um auszuloten, wie konkret eine Stelle ist oder welchen Preis man erzielen kann. Oder man winkt mit einem guten, nicht verfügbaren Kandidaten, um einen preiswerteren, weniger qualifizierten schmackhaft machen zu können. Ob das für die Glaubwürdigkeit von Dienstleistern gut ist, soll jeder für sich entscheiden.

Wenn ich nicht mit den Entscheidern sprechen kann, sende ich kein Angebot. Wenn ich nicht weiß, ob man mit Dienstleistern arbeitet, verbaue ich einem Kandidaten nicht die Chance, sich noch selbst zu bewerben. Und wenn die Vermittlungskonditionen nicht gegenseitig akzeptiert wurden, mache ich keine Termine. Auch nicht, wenn die Konditionen der Stelle nicht bekannt sind. Denn nur so kann ich langfristig gute Beziehungen zu Kunden aufbauen und pflegen und mir auch einen guten Ruf bei den Kandidaten erarbeiten.

Ich werde diesen Artikel dieses Mal bei XING teilen. Wenn Sie selbst Erfahrungen mit der Gießkanne gemacht haben, diskutieren Sie doch gerne mit!

Viele Grüße aus Gummersbach,

Ihr Mathias Leopold